X_Erfahrungsberichte

Erfahrungsbericht 1

Andrea Hünecke, 43, Lehrerin

Im Herbst 2011 ging es mir ziemlich schlecht. Ich war verspannt- und das schon seit ungefähr drei Jahren. Meine Heilpraktikerin massierte mich immer wieder, was auch half, aber immer nur für kurze Zeit. Meine körperliche Verspannung strahlte auch auf meine Gemütsverfassung aus. Ich wurde immer verkniffener und engstirniger .

Als ich in der Zeitung einen kleinen Hinweis auf ein Feldenkrais-Wochenende sah, in dem es um Entspannung und einen lockeren Kiefer ging, fühlte ich mich spontan so angezogen, dass ich mich bei Christine Hoba anmeldete – ohne zu wissen, was Feldenkrais eigentlich ist.

An diesem Wochenende lernte ich die Feldenkraisarbeit dann kennen.

In großer Ruhe lag jeder Teilnehmer auf einer Decke. Christine gab Anweisungen, kleine Bewegungen auszuführen. Total entspannend war dabei, dass keine Bewegung richtig oder falsch war. Man folgte einfach den Anweisungen, so wie man sie verstand, und alles war gut. Wenn´s nicht klappte, dann half Christine, indem sie die Bewegung noch genauer erklärte. Wichtig war, dass nichts weh tun sollte. Jeder Teilnehmer achtete auf sich und machte alle Bewegungen so, dass sie keinen Schmerz auslösten. Wenn das nicht klappte, fand Christine Bewegungsalternativen für die Betroffenen.

Die Bewegungen fingen ganz klein an. Einfache Bewegungen, die man schon tausendmal gemacht hatte – immer mit dem Auftrag hineinzuspüren, die Bewegung und ihre Wirkung wahrzunehmen. Dann gab es andere Bewegungen, manchmal bauten sie auf der vorigen auf, manchmal glaubte ich nicht, dass sie mit der ersten Bewegung zu tun hatten.

Aber dann sollten wir die erste Bewegung noch einmal wiederholen- und siehe da, sie ließ sich viel einfacher oder weiter ausführen als vorher.

Jede Bewegung diente dazu, dem Körper Möglichkeiten zu zeigen, eine Bewegung harmonischer oder effektiver oder anders auszuführen. Alte Bewegungsmuster wurden bewusst, aufgelöst, durch andere ersetzt, sodass meinem Körper mehr Bewegungsmöglich-keiten zur Verfügung standen.

Ich war fasziniert von der Ruhe, dem fast meditativen Hineinspüren in meinen Körper und seine Bewegungen. Der ruhige und humorvolle Umgang in den Stunden tat gut und entspannte zusätzlich. Meine Muskeln wurden wirklich locker und ich beendete das Wochenende zum ersten Mal seit Jahren wirklich entspannt und beweglich wie zuletzt als Kind. Mit so viel Freude an der Bewegung hatte ich meinen Körper zuletzt in meiner Kindheit wahrgenommen.

Jetzt gehe ich seit einem Jahr wöchentlich zu Feldenkraisstunden und befinde mich – körperlich und seelisch- in einem viel besseren Zustand. Mit den körperlichen Verspannungen, die ganz verschwunden sind, ist auch die seelische Anspannung verschwunden. Ich kann andere wieder lassen, wie sie sind, finde in meinem Leben mehr Handlungsmöglichkeiten, bin körperlich und seelisch flexibler und offener.

In jeder Feldenkraiseinheit, auch in denen, von denen ich glaube, sie schon zu kennen, mache ich neue Entdeckungen und Erfahrungen mit meinem Körper. Und der lernt immer weiter dazu. Im Alltag merke ich, wie mein Körper – manchmal ohne mein bewusstes Zutun, manchmal, weil ich bewusst Bewegungsalternativen suche – neue Bewegungsmuster ausprobiert und dadurch die bisher üblichen Verspannungen gar nicht mehr auftreten. In letzter Zeit habe ich festgestellt, dass ich – früher meist mehr auf meinem linken Bein stehend- inzwischen tatsächlich auf beiden Beinen stehe. Ich hebe auch meine Arme ganz anders und kann, wenn sie schwer werden, die Bewegung bewusst so verändern, dass es wieder gut geht.

Mir helfen die Feldenkraisstunden dabei, mich zu entspannen, beweglich zu werden und zu bleiben, Neues zu erfahren und zu lernen. Vor allem aber kann ich die Erfahrungen mit in den Alltag nehmen und meinen Körper besser nutzen und pflegen.

Erfahrungsbericht 2

Gerda S., Lehrerin

 Aufbruch

Wenn ich Euch von meinem Aufbruch erzähle, so werdet Ihr vielleicht mit den Achseln zucken und sagen: Das ist alles?

Sie hat einen neuen Gymnastikkurs entdeckt! Na und?

Ich habe es ja selbst so gesehen, als eine Freundin mir immer wieder zuredete mitzukommen in den Feldenkraiskurs.

Damit sie Ruhe gab, ging ich mit, und Bewegung ist schließlich immer gut.

Ich lag also neben ihr auf meiner Decke und tat, was die Lehrerin sagte. Es waren kleine, sanfte Bewegungen, die wir machten, keine gewaltigen Anstrengungen, eigentlich überhaupt keine.

Eigentlich lebte die ganze Stunde von einer Bewegung, die wir machten, der wir nachspürten, die wir erweiterten, bei der wir beobachteten, wie sie sich auf unseren Körper auswirkte.

Nach der Stunde fühlte ich mich gelassen und gut, mindestens so gut in meiner Seele wie in meinem Körper.

Ich wollte wiederkommen. Inzwischen bin ich mehr als ein Jahr in diesem Kurs. Ich habe viel gelernt. Ich habe gelernt, wie sich z. B. eine kleine Bewegung in meinem Fuß  fortsetzt durch meinen ganzen Körper bis in meinen Kopf. Ich habe gelernt, welch ein Wunderwerk unser Körper ist und wie alles mit allem zusammenhängt.

Nach besonders schönen Stunden fahre ich ganz glücklich in meinem Auto nach Hause und mache kein Radio an, weil ich noch in der Atmosphäre der Stunden bleiben will. Es geht  mir einfach nur gut.

Und dann merkte ich mit der Zeit, dass sich Sachen bei mir änderten. Mein Leben lang hatte ich mich schlecht gehalten. Schon meine Mutter hatte dagegen angekämpft als ich ein Kind war: Bauch rein, Brust raus, Schultern zurück! Ihr kennt das sicher auch. Aber niemand kann auf diese Weise seine Haltung verbessern. Ich hielt mich also schlecht, bis ich 75 war. Und in diesem zarten Alter  merkte ich plötzlich, dass ich begann mich anders zu halten. Das war nicht mein Ziel gewesen, ich hatte nicht einmal gedacht, dass so etwas möglich wäre. Ich stellte es einfach bei mir fest. Ich stand ganz anders auf meinen Füßen, das Becken war anders gehalten, Die Wirbelsäule anders darüber gebaut, der Kopf anders aufgerichtet. Es war  nicht so, dass ich morgens aufwachte und das alles erfreut zur Kenntnis nahm. Es fing mit Füßen, Beinen und Becken an. Es fühlte sich viel besser an als früher, und Schritt für Schritt ging es weiter. Immer noch geschieht es mir, dass ich – besonders  wenn ich müde bin – in meine alte Hängenlasshaltung zurückfalle, aber einen zunehmend größeren Teil meiner Wege gehe ich aufgerichtet, und ich kann Euch sagen, man sieht die Welt und die Menschen ganz anders an, wenn man aufgerichtet geht.

Ich nehme alles anders wahr, wenn ich aus dieser Haltung aus mir herausschaue. Es ist unglaublich, wie anders alles ist und wie viel schöner. Ich selbst bin anders in dieser aufrechten Haltung.

Und dazu habe ich 75 Jahre alt werden müssen, um das zu lernen.

Aber ich habe es eben mit 75 Jahren noch gelernt. Das ist ein gewaltiges Erlebnis. Und wer weiß, was sonst noch alles möglich sein wird.

Neulich fragte ein Kind in meiner Vorleseschule:“  Frau S. sind Sie gewachsen?“ Ich hätte es küssen können und dachte bei mir:

Innerlich bestimmt ein Stückchen.